Seit 1995 erhebt der Fiskus zusätzlich zur Einkommen- und Körperschaftsteuer einen Solidaritätszuschlag von den deutschen Steuerzahlern. In den ersten Jahren betrug der Soli noch 7,5 %, wurde aber ab 1998 auf die seither geltende Höhe von 5,5 % abgesenkt. Rund 325 Mrd. Euro an Solidaritätszuschlag haben die Steuerzahler so seit dessen Einführung gezahlt. Allein 2018 betrug das Aufkommen des Solis rund 18,9 Mrd. Euro. Für das Jahr 2019 rechnet die Bundesregierung mit Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag von rund 19,4 Mrd. Euro und 2020 von rund 20 Mrd. Euro.
Kein Wunder also dass die Versuche, den Soli wieder abzuschaffen, fast genauso alt sind wie der Soli selbst - sei es über Klagen und Verfassungsbeschwerden oder in Form von politischen Initiativen einzelner Parteien. Bisher sind aber alle Versuche aus unterschiedlichen Gründen gescheitert. Das ändert sich jetzt, denn die Große Koalition macht ernst mit dem Versprechen im Koalitionsvertrag, den Solidaritätszuschlag zumindest teilweise abzuschaffen.
Über den Umfang des Abbaus gab es immer wieder Debatten zwischen den Koalitionspartnern. Die Union als Verfechter einer vollständigen Abschaffung des Solis konnte sich mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen, aber der erste Schritt, den die Bundesregierung Ende August im Entwurf für ein "Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags" beschlossen hat, fällt trotzdem etwas umfangreicher aus als ursprünglich geplant. Ab 2021 soll der Zuschlag für rund 90 % der Lohn- und Einkommensteuerzahler vollständig wegfallen. Weitere 6,5 % werden zumindest teilweise entlastet. Rund 10 Mrd. Euro soll die Entlastung 2021 ausmachen.
Freigrenze: Die Freigrenze, bis zu der kein Solidaritätszuschlag anfällt, wird auf 16.956 Euro (Einzelveranlagung) bzw. auf 33.912 Euro (Zusammenveranlagung) angehoben. Liegt die für das Jahr fällige Einkommensteuer nicht über dieser Freigrenze, fällt überhaupt kein Solidaritätszuschlag mehr an. Das hat zur Folge, dass Familien mit zwei Kindern bis zu einem Bruttojahreslohn von 151.990 Euro und Alleinerziehende bis zu einem Bruttojahreslohn von 73.874 Euro keinen Soli mehr zahlen.
Milderungszone: Übersteigt die tarifliche Einkommenssteuer die Freigrenze, wird der Solidaritätszuschlag nicht sofort in voller Höhe, also mit 5,5 %, erhoben. Die Milderungszone vermeidet also einen Belastungssprung und wird durch das Gesetz ebenfalls deutlich ausgeweitet. Dadurch wird die Mehrheit der noch verbleibenden Soli-Zahler ebenfalls entlastet, allerdings bei steigenden Einkommen mit abnehmender Wirkung.
Abgeltung- & Körperschaftsteuer: Dieser erste Schritt beim Abbau des Solis enthält nur Entlastungen für die tarifliche Einkommensteuer. Bei der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge und der Körperschaftsteuer bleibt vorerst alles wie gehabt.
Die Verfechter einer vollständigen Abschaffung des Solis haben unterdessen Anfang Juni Rückendeckung vom Bundesrechnungshof erhalten: Die nur teilweise Abschaffung des Solis berge erhebliche verfassungsrechtliche und finanzwirtschaftliche Risiken, meinen die Rechnungsprüfer, denn Ende 2019 läuft der Solidarpakt II aus, der Basis für die Begründung des Solidaritätszuschlags ist. Damit gebe es eine reale Gefahr, dass der Bund zu milliardenschweren Steuerrückzahlungen verurteilt wird.
Wenig überraschend also, dass der Bund der Steuerzahler erneut zum Sturm geblasen hat und ein neues Musterverfahren beim Finanzgericht Nürnberg unterstützt, das sich gegen den Solidaritätszuschlag für das Jahr 2020 richtet. Grundlage des Verfahrens sind die für 2020 festgesetzten Vorauszahlungen. Aufgrund der geänderten Voraussetzungen nach dem Ende des Solidarpakts II kann es sich daher lohnen, im nächsten Jahr ein Auge auf den weiteren Fortgang dieses Verfahrens zu werfen.
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