In einem bundesweiten Musterprozess hat das Düsseldorfer Sozialgericht entschieden, dass Patienten zwar die Praxisgebühr bezahlen müssen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) darf aber die Mahn- und Prozesskosten nicht auf die Patienten abwälzen. Da die KV pro Fall mindestens 150 Euro aufwenden muss, lohnt sich der Gang vor Gericht für die KV nicht. Die KV Berlin hatte deswegen schon Ende vergangenen Jahres beschlossen, überfällige Praxisgebühren nicht mehr einzutreiben. Ähnliche Überlegungen gibt es auch bei den Kassenärztlichen Vereinigungen in Westfalen-Lippe, Nordrhein, Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, und nach dem Düsseldorfer Urteil dürften die restlichen Bezirke nachziehen.
Wer dieses Urteil aber als Freibrief dafür versteht, keine Praxisgebühr mehr zahlen zu müssen, sollte folgende Punkte bedenken:
Der Dumme ist immer der Arzt: Wenn Sie die Praxisgebühr nicht zahlen, geht das auf Kosten der Ärzte und nicht auf die der Krankenkassen. Denn die Ärzte leiten die Praxisgebühr nicht an die Krankenkassen weiter, sondern bekommen den Betrag pro Patient und Quartal von ihrem Honorar abgezogen - egal, ob die Praxisgebühr bezahlt wurde oder nicht. Die Zahlungsverweigerung wird deshalb schnell zum Belastungsfaktor im Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.
Düsseldorf ist Düsseldorf: Die KV in Sachsen-Anhalt will nun ebenfalls einen Musterprozess vor dem Sozialgericht Magdeburg anstrengen. Es ist durchaus möglich, dass der ganz anders ausgeht. Bis ein höchstrichterliches Urteil fällt oder eine definitive gesetzliche Regelung geschaffen wird, gibt es jedenfalls keine Rechtssicherheit. Und wer jetzt nicht zahlt, muss später mit deutlich höheren Kosten rechnen, falls die KVs dann auch die zusätzlichen Kosten einfordern dürfen.
Behandlung nur nach Zahlung: Nach dem Düsseldorfer Urteil haben viele Kassenärztliche Vereinigungen ihre Mitglieder aufgefordert, nur noch nach Zahlung der Praxisgebühr zu behandeln. Unterstützung für diese Forderung erhalten sie von der Bundesregierung, die meint, dass dies durchaus dem Willen des Gesetzgebers entspricht. In Zukunft werden viele Ärzte daher nur noch in echten Notfällen auch dann behandeln, wenn die Praxisgebühr noch nicht gezahlt wurde.
Gesetzesänderung möglich: Wegen der vielen Probleme, die aus dem momentanen Verfahren folgen, bemüht sich die versammelte Ärzteschaft um eine Gesetzesänderung. Zahlen sollen die Patienten künftig nicht mehr in der Praxis sondern auf anderem Wege, oder zumindest sollen die Kosten für die Eintreibung der Praxisgebühr nicht mehr auf den Ärzten lasten. Ob und wann eine solche Änderung kommt, steht noch nicht fest. Nach dem Düsseldorfer Urteil sind die Chancen aber sicher gestiegen, und die Folgen für Zahlungsverweigerer sind in so einem Fall noch nicht absehbar.
Unabhängig vom Streit um die Zahlung der Praxisgebühr hat sich die Finanzverwaltung inzwischen dazu geäußert, wie die Gebühr steuerlich zu behandeln ist. Denkbar sind nämlich zwei Varianten. Ist die Praxisgebühr ein zusätzlicher Krankenkassenbeitrag, handelt es sich um als Sonderausgaben abziehbare Vorsorgeaufwendungen. Allerdings sind die Vorsorgeaufwendungen nur bis zu einer gewissen Grenze steuerlich abziehbar, die bei Arbeitnehmern in aller Regel bereits durch die normalen Sozialversicherungsbeiträge erreicht oder überschritten werden.
Handelt es sich dagegen um zusätzliche Krankheitskosten, kommt der Abzug als außergewöhnliche Belastung in Frage. Dazu müssen jedoch die im gesamten Jahr angefallenen Krankheitskosten über der zumutbaren Belastungsgrenze von 1 bis 7 % der Einkünfte liegen. Nur der Betrag, der über dieser Grenze liegt, ist dann auch steuerlich abzugsfähig. Für diese Einschätzung, also die Behandlung der Praxisgebühr als zusätzliche Krankheitskosten, hat sich die Finanzverwaltung entschieden.
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